Beyond Tagessatz – die Perspektive des Einkaufs
Das Sourcing von Professional Services stellt Anbieter und Nachfrager vor große Herausforderungen. Der Einkauf muss einschätzen können, welche Leistung und welchen Mehrwert er für das Angebot eines Dienstleisters erhält. Der Dienstleister dagegen fragt sich, ob der potenzielle Kunde den Mehrwert seiner Leistung wertschätzt, er sich entsprechend positioniert hat und die dahinterliegende Preisgestaltung wettbewerbsfähig ist. APADUAhat diesbezüglich eine hochinteressante Pricing-Studie für Professional Services herausgegeben, die sich mit drei Themenbereichen besonders auseinandergesetzt hat:
1. Budgets bzw. Projektvolumen je Personenwoche und Dienstleitersegment
2. Kostenstruktur und Zusammensetzung der Professional-Service-Teams
3. Tagessätze und Seniorität der Dienstleister

Dabei treten erhebliche Unterschiede insbesondere zwischen den Projekttypen (IT-Consulting, Organisation und Prozess sowie Strategieberatung) sowie zwischen den Professional-Service-Typen (Spezialisten, diversifizierte Dienstleister und Generalisten) zutage.
Beide Seiten, Einkäufer und Anbieter, können aus der Studie einen erheblichen Mehrwert ziehen. Das Verständnis für die Preisgestaltung beim Einkauf verbessert sich automatisch mit einer strategischen Perspektive auf den Markt. Daher schauen wir in zwei Schritten auf das, was Einkäufer und Dienstleister aus der Studie in Bezug auf die Preisgestaltung von Professional Services mitnehmen können.
Ausgangssituation beim Sourcing von Professional Services
Den Mehrwert einer Leistung in Relation zu den Kosten einer Beratung einzuschätzen fällt dem Einkauf besonders schwer, wenn keine vergleichbare Leistung vorliegt. Dies ist oftmals die Situation, wenn das Sourcing nur operativ erfolgt. Das bedeutet, dass die Leistung der Dienstleister nicht gemessen oder nachgehalten wird, Angebote vergleichbar und standardisiert eingeholt werden und vor allem: Dienstleister nicht langfristig entwickelt werden. Insbesondere dann, wenn sie z.B. strategisch wichtig und entsprechend längere Projekte begleiten oder als Spezialisten immer wieder eingesetzt werden.
Aus der Perspektive des Einkaufs erörtern wir im ersten Teil zwei Fragen im Hinblick auf die Preisgestaltung der Dienstleister:
- Gibt es preiswerte und adäquate Alternativen zum Dienstleister?
- Welche Vorteile bringt die Entwicklung eines Dienstleister-Pools?
Gibt es Alternativen? Fragen, die sich der Einkauf bei unsicherer Performance des aktuellen Dienstleisters stellen muss.
Pricing-Benchmarks sind insbesondere für das Sourcing von Professional Services von hoher Bedeutung, da sie zumindest einen guten Überblick über verschiedene Preismodelle der unterschiedlichen Professional-Services-Typen geben. Allerdings sollte eine kommerzielle Beurteilung beim Einkauf der Dienstleister differenziert ausfallen, will man den Mehrwert des Dienstleisters in Relation zu den Projektkosten verstehen. Demnach wäre die Frage: „Habe ich bisher zu teuer eingekauft?“, mit einem engen Blick auf Tagessätze (mal Personentage) zu kurz gegriffen. Insbesondere dann, wenn die Zufriedenheit mit dem Dienstleister hoch ist, da die Projektziele erreicht oder sogar übertroffen wurden.
Besteht aber Unsicherheit in Bezug auf den Mehrwert des Dienstleisters, wurden Erwartungen nicht erfüllt und ein definierter Projekt-ROI nicht erreicht, dann sollten wir Kunden bzw. Auftraggeber folgende Fragen stellen:
❏ Wurden Unternehmensziele entsprechend auf das Projektziel heruntergebrochen und dem Dienstleister klar kommuniziert?
❏ War es der richtige Dienstleister? Und wenn ja, haben wir ihn richtig geführt bzw. haben wir gut mit ihm zusammengearbeitet?
❏ Hätte es zum priorisierten Dienstleister eine Alternative gegeben, die das Projektziel qualitativ mindestens genauso gut (oder besser) und erheblicher preiswerter (oder mit den gleichen Projektkosten) realisiert hätte?
Die ersten beiden Fragen sind eher strategische Fragen, die sich das Management unabhängig vom Pricing stellen und beantworten muß. Hier findet dann auch eine entsprechende Analyse der eigenen Verantwortlichkeit für die Performance des Dienstleisters statt.
Im Hinblick auf den Einkauf und das Pricing spielt hier allerdings die dritte Frage eine wichtige Rolle: Denn hier lassen sich große Unterschiede bei den Tagesraten, bei den Projektkosten für unterschiedliche Projekttypen und -dienstleister sowie bei der Teamzusammensetzung feststellen, die als Chance für den Einkauf von Professional Services und dessen Bewertung im Vorfeld verstanden werden können.

So kann z.B. der Tagessatz eines Senior-Consultants bei einem Generalisten („one stop shop“ für Dienstleistungen) dem Tagessatz eines Partners bei einem Spezialisten (mit Fokus auf einer Leistung, einem Sektor oder einer Funktion) oder diversifizierten Dienstleister (Fokus auf wenige Services, ein oder zwei Sektoren oder einer Funktion) entsprechen. Hier spielt insbesondere die geringere Bandbreite bei den Tagessätzen der diversifizierten Anbietern und Spezialisten gegenüber den Generalisten eine große Rolle.
Mit Blick auf dieses Beispiel sollte der Auftraggeber hinterfragen, warum nicht für ein bestimmtes Beratungsprojekt, für das bisher ein Strategieberater eines Generalisten beauftragt wurde, nicht auch ein Spezialist als Strategieberater eingekauft werden konnte, wenn dieser vergleichbare Kompetenzen und Referenzen aufweisen kann.
Die Entwicklung des Dienstleister-Pools als Voraussetzung für das Verständnis der Preisgestaltung der Professional-Service-Dienstleister
Wer die Preisgestaltung verstehen und bewerten will, muss in der Lage sein, das Geschäfts- und Servicemodell, die Ausrichtung und die Kompetenzen seines Dienstleisters interpretieren zu können. Das erfordert eine strategische Perspektive auf das Sourcing: Know-how, das nur von fachübergreifenden Teams gestellt und vermittelt werden kann, was häufig nicht einfach ist, da unterschiedliche Interessen und Zielvorstellung vor dem Hintergrund der Unternehmensstrategie moderiert und abgestimmt werden müssen.
Eine Ausschreibung kann da nur der erste Schritt sein. Der Königsweg bleibt eine langfristige Entwicklung nicht nur der Dienstleister, sondern auch des gesamten fachübergreifenden Sourcing Teams. Wie das gelingen kann, würden wir gerne mit Ihnen diskutieren.
Es macht daher für den Einkauf und die sich am Sourcing beteiligenden Fachabteilungen durchaus Sinn, alternative Dienstleister und ihr Serviceportfolio zu entwickeln. Das hat mehrere Vorteile:
❏ Ein alternativer Dienstleister bringt mehr Wettbewerb in den Dienstleister-Pool, insbesondere für Leistungen, die eine aktuelle Kommodisierung erfahren oder für die gerade eine Nachfrage entsteht.
❏ Ein Verständnis der Preisgestaltung in Relation zum Angebot und zu den erbrachten Leistungen wird im Wettbewerb zwischen Dienstleistern transparent gemacht.
❏ Neues Wissen, das mit entwickelten oder/und neuen Dienstleistern erzeugt wird, kann in Anschlag gebracht werden, insbesondere beim Einbezug von Spezialisten oder diversifizierten Dienstleistern mit einem engen Fokus, den u.U. Generalisten nicht abbilden können.
❏ Die Kostenstruktur des Dienstleisters kann optimiert werden, z.B. indem Dienstleistungsprozesse standardisiert und digitalisiert werden, was die nächste Beauftragung deutlich einfacher und transparenter machen kann.
Management Summary: Der Einkauf gewinnt ein Verständnis der Preisgestaltung in Bezug auf die Leistung, wenn er diese in Relation zu anderen Dienstleistern setzen kann. Das gelingt in erster Linie durch den Aufbau von Dienstleister-Pools, das Erzeugen von Wettbewerbssituationen und die Entwicklung der Dienstleister vor dem Hintergrund der eigenen Unternehmensziele. Zum zweiten Teil aus der Perspektive der Dienstleisters.
Alex & Verne unterstützt Professional Service Dienstleister bei der Strategie-, Geschäftsmodell- und Organisationsentwicklung. Dazu zählen auch Dienstleistungen wie Foresight, Thought Leadership, die Entwicklung neuer Dienstleistungen sowie deren Vermarktung. Den strategischen Einkauf und Lieferantenentwicklung von Professional Services begleiten wir ebenfalls. In diesen Feldern bringen wir mehr als 16 Jahre Erfahrung aus der Beratung, dem Einkauf und dem Marketing von Professional Service Leistungen mit. Dazu gehören die klassischen und spezialisierten Unternehmensberatungen, Marketing/Kommunikation, ESports, IT Dienstleistungen (z.B. Software Entwicklung, Blockchain, Fintec, Supply Chain, AI), HR und Legal Services.
Quellen:
- Die Studie von APADUA gibt es als PDF Datei hier.
- Einen interessanten Vergleich der Tagessätze aus der APADUA Studie mit den Zahlen des BDU von 2019 finden sie hier auf Consulting.de