Teil 2: Die Perspektive der Anbieter von Professional Services oder wie komme ich auf die Shortlist?

Im ersten Teil des Artikels haben wir uns mit der Perspektive des Einkaufs auf Professional-Service-Dienstleistungen auseinandergesetzt. Hier haben wir festgestellt, dass der Einkauf eine strategische Perspektive auf das Sourcing entwickeln muss, will er die Preisgestaltung und das korrespondierende Leistungsspektrum seiner Dienstleister bewerten und proaktiv entwickeln können. Im zweiten Teil wechseln wir die Perspektive und fragen uns, was der Vergleich von Pricing-Benchmarks, wie sie die APADUA-Studie aufzeigt, für den Dienstleister bedeutet und welche Chancen sich daraus ergeben.

 Hier spielen drei Punkte eine besondere Rolle:

❏    die Kostenstruktur des Dienstleisters

❏    die Korrespondenz von wahrgenommenem Mehrwert und dem Leistungsversprechen des Dienstleisters auf der Kundenseite

❏    die kontinuierliche Verbesserung der internen Abläufe des Dienstleisters ausgehend vom Thought Leadership bis zur Delivery

Was also für den Einkauf gilt, muss der Vertrieb und das Marketing des Dienstleisters spiegeln und für sich einordnen können. Daher sollte ein Anbieter von Professional Services für sich klären, warum sein Unternehmen es z.B. bei einer Ausschreibung nicht auf die Shortlist geschafft oder einen Pitch verloren hat, weil der Angebotspreis als Knock-out-Kriterium identifiziert wurde. Dann hat der Dienstleister die Möglichkeit, sein Pricing zu überarbeiten und als Erfolgsfaktor proaktiv für sich zu definieren. Das setzt aber voraus, dass die Preisgestaltung auch mit dem vom Kunden wahrgenommenen Mehrwert korrespondiert. Das betrifft sowohl die Kalkulation der Projektkosten als auch die der Textzusammenstellung (und somit der Personentage je Senioritätslevel) als auch die eigene Kostenstruktur.

Kostenstruktur des Dienstleisters

Die APADUA-Studie gibt hier gute Hinweise, wie Textzusammenstellung und Tagessätze in Abhängigkeit von der Seniorität variieren können und welche Möglichkeiten dies dem Dienstleister für eine gute Preisgestaltung bieten kann: So verschieben Generalisten – z.B. große Strategieberatungen – bewusst ihre Kostenstruktur in Richtung eines hohen Senioritätslevels (Director, Principal, Partner), verkürzen dabei aber die Anzahl der angebotenen Tage. Spezialisten oder diversifizierte Dienstleister z.B. können sich nur dann von der Preisgestaltung des Generalisten abheben, wenn sie ihre Kompetenzen kommuniziert haben und zeigen können, dass sie die Aufgabe entsprechend den Erwartungen des Kunden erfüllen können. Umgekehrt punktet der Generalist gegenüber seinen Wettbewerbern mit einem überlegenen Thought Leadership, einer entsprechenden Delivery, die ihren Preis wert ist bzw. auch so vom Kunden wahrgenommen wird.

Grafik: Kostenstruktur für Projektteams von Generalisten. Quelle: Pricing Benchmark, Management & IT Consulting, Issue 1, APADUA 2020

Optimierung der Kosten und internen Abläufe

Auf der Kostenseite kann sich ein Dienstleister fragen, inwiefern die eigenen Dienstleistungsangebote und Back-Office-Abläufe standardisiert, digitalisiert oder ausgelagert werden können, insbesondere die Leistungsangebote, die nicht (mehr) als Mehrwert vom Kunden oder als selbstverständlich wahrgenommen werden. Serviceangebote wie z.B. Reifegradanalysen, für die vor zehn Jahren noch erhebliche Summe gezahlt wurden, werden mittlerweile häufig kostenlos oder zu sehr geringen Kosten angeboten und können in großen Teilen automatisiert werden. Daher beginnt der Vertrieb schon mit dem Service selbst oder eben mit neuen Dienstleistungen, bei deren Kreation das Design Thinking mittlerweile eine entsprechend hohe Wertschätzung genießt.

In der Regel aber werden Dienstleister, die wachsen oder sich auf neuen Märkten bewegen wollen, vom Vertrieb bis zur eigentlichen Delivery ihre gesamten Abläufe optimieren müssen. Dabei geht es insbesondere darum, das Lernen der gesamten Organisation aus den gegebenen Projekten und auch aus neuen Aufgaben so zu optimieren, dass Standards definiert und gelebt werden, die es ermöglichen, kurzfristig die Delivery-Zeit zu reduzieren und die Qualität erheblich zu verbessern. 

Synchronisierung von Thought Leadership, Leistungsversprechen und wahrgenommenem Mehrwert

Ein Auftraggeber und der Einkauf, der an dieser Stelle Dienstleister entwickelt und die Aufgabe hat, Professional Services adäquat zu bewerten (siehe Teil 1), werden das wohlwollend zur Kenntnis nehmen und die Preisgestaltung des Dienstleisters nicht von Anfang an infrage stellen. Viel lernen können Professional-Service-Anbieter aus der Bewertung durch ihren Kunden, aber auch durch die Definition einer Customer-Journey und das Infragestellen und Verbessern aller relevanten Berührungspunkte mit dem Kunden . Nur so können das eigene Thought Leadership, das Leistungsversprechen und der vom Kunden wahrgenommene Mehrwert in Übereinstimmung gebracht werden.

Ein gutes Beispiel sind die aufstrebenden Digitalagenturen, die oftmals relativ neues Hightech-Know-how (z.B. zum Einsatz von KI im Vertrieb oder von Blockchain im Supply-Chain-Management) mit einer entsprechenden Leistung z.B. aus der Strategie-, Organisations- oder Prozessberatung kostengünstig kombinieren. Entspricht das Thought Leadership dieser Digitalagenturen auch ihren Kompetenzen und der Delivery, dann sind sie in der Lage, mit disruptiven Geschäftsmodellen – neben einem ordentlichen Mehrwert für den Kunden – die bestehenden Kostenstrukturen der Platzhirsche zu unterlaufen.

Demnach haben Dienstleister dort, wo sie Stärken und Schwächen im Hinblick auf ihre Preispolitik für sich feststellen, Gestaltungsmöglichkeiten, wenn sie die oben dargestellten Unterschiede für sich nutzen können, Thought Leadership ausbauen und ihre Kostenstrukturen überdenken. Wenn die Preisgestaltung mit dem wahrgenommenen Nutzen und Kompetenzen beim Kunden korrespondiert, dann haben Anbieter von Professional Services durchaus die Chance, mittelfristig auch neue Kunden zu gewinnen oder bestehendes Geschäft stark auszubauen.

Consulting-as-a-Service?

Die Zukunft wird aber noch einmal anders aussehen. Die Digitalisierung hat das Beratungsgeschäft stark verändert und wird das auch in Zukunft noch radikaler tun. Es gibt jetzt schon dafür erste Zeichen, besonders dort, wo digitale Technologien wie z.B. Machine Learning und Data Science in der Beratung eingesetzt werden. Der Tagessatz spielt dann eine geringere Rolle spielt, wo die Leistung des Beraters, in Abhängigkeit der Standardisierung seiner Leistung und die des Backoffices stärker als Consulting-as-a-Service angeboten werden kann. Auf der anderen Seite sind bei bestimmten Projekten immer noch stark erfolgsabhängige Anteile denkbar, wenn z.B. die Datenanalyse der Beratung hilft, Unternehmensausgaben übergreifend zu analysieren und zu senken. Hier hat die z.B. die Arbeit des Beraters mit Excel bald schon ausgedient. Letzeres kann auch für Strategieprojekte gelten, in denen bei Szenarioanalysen für unterschiedliche Geschäftsmodelle oder Kampagnen datengetriebener Support eine immer größere Rolle für die Beratung spielt.

Summary:

APADUA hat sich mit der Studie auf eine spannende Reise in die Welt der Professional Services begeben. So darf der Blick des Einkaufs auf die Preisgestaltung nicht den Mehrwert des Dienstleisters in Relation zu seinen Wettbewerbern außer Acht lassen. Das Verständnis kann der Einkauf aber nur dann erzeugen, wenn er auch in der Lage ist, seine Dienstleister im Wettbewerb zueinander zu entwickeln. Andererseits muss der Dienstleister in der Lage sein, den Mehrwert seiner Leistungen für den Kunden zu verstehen, zu verbessern und sich entsprechend zu positionieren, auch um in eine proaktive Gestaltung seiner Preispolitik für sich gewährleisten können. Diese wird in Zukunft stark von der Digitalisierung des eigenen Service Portfolios abhängig sein. Wie das Unternehmen erfolgreich bewerkstelligen, sollte APADUA eine zweite Studie wert sein. Hier geht es zum ersten Teil des Artikel.

Alex & Verne unterstützt Professional Service Dienstleister bei der Strategie-, Geschäftsmodell- und Organisationsentwicklung. Dazu zählen auch Dienstleistungen wie Foresight, Thought Leadership, die Entwicklung neuer Dienstleistungen sowie deren Vermarktung. Den strategischen Einkauf und Lieferantenentwicklung von Professional Services begleiten wir ebenfalls. In diesen Feldern bringen wir mehr als 16 Jahre Erfahrung aus der Beratung, dem Einkauf und dem Marketing von Professional Service Leistungen mit. Dazu gehören die klassischen und spezialisierten Unternehmensberatungen, Marketing/Kommunikation, ESports, IT Dienstleistungen (z.B. Software Entwicklung, Blockchain, Fintec, Supply Chain, AI), HR und Legal Services.

Quellen: